Kennst du das auch? Wenn du ganz instinktiv spürst, da ist was faul? Du weißt erst mal noch nicht genau, woran du es festmachen sollst. Aber dich beschleicht schon so ein ungutes Gefühl. Eben. So erging es mir mit den ‚Erneuerbaren’.
Die ‚erneuerbaren Energien’, oder ‚regenerativen Energien’, oder ganz lässig auch einfach nur ‚die Erneuerbaren’: der Begriff hat mich gleich bei der ersten Begegnung schon irritiert. Von Natur aus skeptisch, besserwisserisch und ja, eben auch kleinlich, jagt mir der Begriff ‚Erneuerbare Energien’ immer so einen kleinen Schauer über den Rücken, ganz leicht, fast nicht spürbar, aber eben immer wieder. Wohl ein bisschen so, wie Harry Potter die blitzförmige Narbe auf der Stirn schmerzt, wenn Voldemort auf irgendeine Art präsent ist. Ja klar, der Vergleich mit Voldemort ist schon sehr übertrieben, aber ich bin ja auch nicht Harry Potter, ich muss mich da schon mit weniger Spektakulärem und eindeutig Bösartigem zufrieden geben.
Dieses Adjektiv ‚erneuerbar’, das klingt doch einfach viel zu schön um wahr zu sein, oder? Ich bin ja kein gelernter Physiker oder Ingenieur, aber da ist doch was faul. Wenn es einfach so erneuerbare Energie gibt, wieso plagen wir uns denn schon seit Jahrzehnten mit diesem ekligen klebrigen schwarzen Zeug rum, oder schicken kleine Kinder in kleine dunkle Minenschächte? Das ist doch so wie “klimaneutral“, oder „freiwillige Rückführung“ nach Ablehnung eines Asylantrages. Oder wie Waffen mit endlos viel Munition, wie sie Helden in Actionfilmen zur Verfügung stehen.
Was soll das eigentlich bedeuten: ‚erneuerbare Energie’? Wie soll ich mir das denn vorstellen? Ich verwende Energie, um etwa an meinem Laptop diesen Beitrag zu verfassen und diese verwendete Energie wird anderswo einfach wieder erneuert, ohne andere Energiezufuhr, so ganz ohne Aufwand? So wie sich das Bier in dem Witz mit dem Belgier in der Wüste ganz von selbst immer wieder auffüllt. Ihr kennt den Witz nicht? Na gut, dass ihr fragt. Ein Belgier irrt verloren und dehydriert in einer Wüste rum. Da erscheint ihm eine Fee, die ihm zwei Wünsche erfüllen möchte. Der erste Wunsch des Belgiers (wahlweise darf es natürlich auch ein Ostfriese sein, oder, oder, oder,…): ein großes Glas Bier, das sich von selbst immer wieder auffüllt. Sein zweiter Wunsch: „Ahhh, das Bier schmeckt so gut, ich will noch so ein Glas haben.“
Mir ist es ja durchaus etwas peinlich einen Begriff so anzupöbeln, denn der Begriff an sich kann natürlich nichts dafür, und mir erscheint das dann auch ein bisschen sinnlos, oder gar sinnfrei. Zum Glück aber habe ich einen Akteur gefunden, der sich den Begriff ‚Erneuerbare Energien’ schon fast schamlos, auf jeden Fall etwas übertrieben, zu eigen gemacht hat. Weshalb er auch an dieser Stelle stellvertretend als Zielscheibe herhalten darf. Der Bundesverband Erneuerbare Energien e.V. bezeichnet Windenergie, Solarenergie, Bioenergie, Geothermie (und Umweltwärme) und Wasserkraft tatsächlich als die „Fünf Superhelden”. Als wollten sie dem Vergleich mit den Actionheldenwaffen, denen nie die Munition ausgeht, unbedingt gerecht werden. Auf ihrer Webseite liest man: „Erneuerbare Energien sind sauber und stehen uns nahezu unbegrenzt zur Verfügung – ohne dafür eine Rechnung zu stellen. [1]”
Das ist doch verdammt dick aufgetragen, oder? Ich meine, mag ja sein, dass die sogenannten ‚Erneuerbaren Energien’ die Umwelt unterm Strich weniger belasten und den Klimawandel weniger vorantreiben als Erdöl, Kohle und Atomkraft und dementsprechend auch förderungswürdig sind. Aber „stehen uns nahezu unbegrenzt zur Verfügung – ohne dafür eine Rechnung zu stellen“… da fühle ich mich doch gleich bestätigt; der Begriff ‚Erneuerbare Energien’ verleitet eindeutig zu Größenwahn. Das liest sich ja fast wie: „Haut ordentlich rein, es ist genug für alle da!“ „Macht euch keine Sorgen, schafft euch so viele Fernseher an, wie ihr wollt, heizt auch gerne mal im Sommer, wir haben für immer ausgesorgt und es kostet auch nix. Der Strom ist eben einfach nur da, in Hülle und Fülle, produziert sich quasi von selbst.“ „Bürger von Gotham City, keine Panik, Batman wird’s schon richten. [2]“
Da lob ich mir doch den Wikipedia-Beitrag zu ‚Erneuerbare Energien’ [3], da wird zumindest nuancierter an das Thema rangegangen. Dort heißt es an einer Stelle schon mal: „Die unterschiedlichen Technologien zur Nutzung jeder Form von Energie, also auch erneuerbarer Energien, haben grundsätzlich immer Auswirkungen auf die Biosphäre, also auch auf Menschen und das ihr Leben ermöglichende Ökosystem. Neben direkten Emissionen, der Klimabilanz und dem Ressourcenverbrauch müssen für eine ganzheitliche Betrachtungsweise auch Aufbau und Abbau der Anlagen (Warenlebenszyklus), Herstellung, Betrieb, Entsorgung etc. betrachtet werden.”
Das liegt natürlich auf der Hand und ist den meisten Menschen wahrscheinlich auch klar. Aber gerade diese Tatsache wird durch den Begriff ‚Erneuerbare Energien’ doch irgendwie verschleiert und von seinen größten Befürwortern auch bewusst nur selten erwähnt, wenn auch nicht geleugnet. Gewiss steht beispielsweise der „Energieträger [Sonne]“, wie es im Wikipedia-Beitrag formuliert ist, „im Rahmen des menschlichen Zeithorizonts PRAKTISCH UNERSCHÖPFLICH zur Verfügung” – so kleinlich will ich bei der Kritik am Begriff der Erneuerbaren ja auch gar nicht sein – das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass der Mensch diese Energiequelle auch nach Belieben und unendlich nutzen bzw. beispielsweise in Strom umwandeln kann. Dazu benötigt es – zumindest bis auf weiteres – Photovoltaikanlagen. Diese wiederum müssen hergestellt, transportiert, aufgerichtet, betrieben und abgebaut bzw. recycled werden, es werden Silizium und verschiedene Schwermetalle zu ihrer Produktion benötigt und dort wo Photovoltaikanlagen stehen, steht nichts anderes.
Um Wasserkraft nutzen zu können, werden teils riesige Talsperren und Staumauern gebaut, nicht selten mit erheblichen Folgen für Umwelt und Mensch. Windparks, ob onshore oder offshore, sind auch nicht gerade ohne. Mir will es nicht so recht gelingen, diese Riesen als integrierten Teil der Landschaft anzunehmen, auch wenn sie unten beruhigend grün angestrichen sind. Klar, eine Braunkohlegrube sieht nicht besser aus, aber ich muss es ja nicht gleich gut finden, nur weil ich etwas anderes noch schlimmer finde. Von den sozialen und umweltbezogenen Folgen von Bioenergie, womit zu einem erheblichen Teil in Sprit verwandelte Biomasse gemeint ist, gar nicht erst zu sprechen.
Das ist dann in etwa so, als wenn man erst einmal ein paar richtig fiese Bösewichte erschaffen muss, damit Batman die Herausforderung überhaupt erst einmal als spannend genug empfindet, um einzugreifen. Oder, wie wenn Batman uns nur zur Hilfe eilt, wenn er im Gegenzug, sein Fledermaus-Emblem überall hinkleben und -sprayen und die Nächte mit seinen Scheinwerfern hell erleuchten darf. Oder, wie wenn man Batman ruft, dann doch nur Robin auftaucht (Ja ok, der Vergleich hinkt vielleicht ein bisschen, aber wie unverschämt perfekt wäre Batman denn auch ohne Robin). Na jedenfalls, führt man sich vor Augen, was mit sogenannten ‚Erneuerbaren’ alles einhergeht, dann kommt einem der Begriff ‚Erneuerbare Energien’ doch sehr schmeichelhaft vor.
Auf Wikipedia heißt es: „Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass erneuerbare Energien verglichen mit konventionellen Energienutzungsformen eine bessere Umweltbilanz aufweisen.“ Beispielsweise führt eine Studie rund um den Forscher Edgar G. Hertwich [4] zu der Schlussfolgerung: „Im Baseline-Szenario steigen die Emissionen von Schadstoffen für Luft und Wasser [bis 2050] um mehr als das Doppelte, während low carbon-Technologien eine Verdopplung der Stromversorgung erlauben, bei gleichbleibender oder gar verminderter Verschmutzung. [5]“
Also sind die in jener Studie berücksichtigten ‚erneuerbaren Energien’ ungefähr doppelt so umweltfreundlich wie die konventionellen Energienutzungsformen, mit denen sie verglichen wurden. Oder, und das ist genau der Punkt, immerhin immer noch circa halb so umweltschädlich. Die sogenannten ‚erneuerbaren Energien’ ändern nichts daran, dass für eine klima- und umweltfreundlichere Zukunft vor allem auch eine erhebliche Reduzierung des Energieverbrauchs nötig ist. „Nur halb so umweltschädlich“ reicht nun mal bei weitem nicht aus. Mit dem Sammelbegriff ‚Erneuerbare Energien’, scheint mir, will man uns vorgaukeln, wir könnten einfach so weiter machen wie bisher, die ‚Erneuerbaren’ seien die Lösung bzw. die Erlösung, oder die Superhelden eben.
Wozu braucht man diesen Sammelbegriff ‚erneuerbare Energien’ überhaupt? Es gibt meiner Ansicht nach keinen guten Grund, gerade jene Eigenschaft der relativen Erneuerbarkeit bei den jeweiligen Energieträgern hervorzuheben. Relevant ist für uns doch in erster Linie, wie umwelt-, klima-, sozialverträglich und nachhaltig die unterschiedlichen Energiearten inklusive Umwandlungsprozess sind, und nicht wie erneuerbar der „angezapfte“ Energieträger ist. Ich bin mir nicht sicher, wie eine akkuratere Bezeichnung aussehen könnte; ich bin mir allerdings eben auch überhaupt gar nicht so sicher, ob es dafür eines Begriffs bedarf. Wieso muss es überhaupt für Solarenergie und Bioenergie [6] beispielsweise eine Überkategorie geben? Kann man die nicht einfach jeweils beim Namen nennen?
[2] Ach, Bundesverband Erneuerbare Energien e.V., danke für die „Fünf Superhelden“, das hat die Sache deutlich vereinfacht.
[5] Under the Baseline scenario, emissions of air and water pollutants more than double whereas the low-carbon technologies introduced in the BLUE Map scenario allow a doubling of electricity supply while stabilizing or even reducing pollution.
[6] Obwohl der Begriff ‚Bioenergie’ bei vielen auch auf Ablehnung stößt. Ich verwende ihn hier trotzdem, weil er in den Quellen, die ich hier genannt habe, verwendet wurde.
2013 existierten in Deutschland 718 seit 2008 gegrundete Energiegenossenschaften, die zusammen rund 145.000 Mitglieder, gro?tenteils Privatpersonen, hatten. Diese konnen sich zumeist bereits mit Beitragen ab 500 Euro beteiligen. Zusammen haben diese Genossenschaften bisher ca. 1,35 Mrd. Euro in erneuerbare Energien investiert. Durch die EEG-Novelle 2014 wird jedoch infolge verschlechterter Investitionsbedingungen insbesondere fur Burgerprojekte ein starker Ruckgang der Neuinvestitionen erwartet.
Auch bei der Warmeversorgung spielen erneuerbare Energien zunehmend eine wichtige Rolle. Derzeit betragt der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch fur Warme und Kalte 13,9 Prozent. Bis zum Jahr 2020 sollen es 14 Prozent sein.